Gerhard Elsner:
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Die umfassende Monographie zum künstlerischen Schaffen Gerhard Elsners:
Individualität und Urbanität, München 2011, Lex. 8, zahlreiche farbige Abbildungen
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Gerhard Elsner |
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geboren am 30. Oktober 1930 in Senftenberg
gestorben am 15. September 2017 in München
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1952-1954 |
Kunststudium an der Staatlichen Akademie der
Künste Freiburg / Breisgau bei Rudolf Dischinger und
Heinrich Wittmer |
1954-1956 |
Kunststudium an der Karlsruher Staatlichen
Akademie der Bildenden Künste bei Wilhelm Schnarrenberger
Staatsexamina für Geschichte und das
künstlerische Lehrfach
Erste Gemälde in Öl und Mischtechnik |
1957-1960 |
Referendariat in Offenbach |
1960-1970 |
Kunstlehrer in Frankfurt
Zeit der Architekturlandschaften,
Hafenbilder |
1970-1992 |
Kunstlehrer am Gymnasium in
Überlingen/Bodensee.
Vorsitzender der Fachgruppe Bildende Kunst im Internationalen Bodenseeclub (IBC)
70er Jahre: Bilder der Großstadtstraßen und
Schaufenster
80er Jahre: Souterrain-Bilder (Tiefgaragen,
Unterführungen)
90er Jahre: Figurenbilder (Lichtgitter,
Farbrinnsale) |
1997 |
Umzug nach München (dort seit 1985 bereits
ein eigenes Atelier)
Technisch experimentelle Kleinformate
(Landschaften, Figuren) |
2004 |
Reise nach Norwegen
Landschaftszyklus Norwegen und Lofoten |
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Seit 1971 über. 30 Einzelausstellungen
Vertreten auf über 150 Gruppenausstellungen
in Deutschland, Österreich, Italien, Liechtenstein,
Frankreich und Tschechien |
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Werke in Museen und öffentlichen
Sammlungen: |
Deutscher Bundestag,
Bonn/Berlin |
Regierungspräsidium
Konstanz |
Stadt Frankfurt/Main |
Städtische Wessenberg-Galerie, Konstanz |
Museum für Neue Kunst, Freiburg |
Landratsamt Konstanz |
Regierungspräsidium Südbaden |
Stadt Löffingen |
Landratsamt
Friedrichshafen |
St. Josef, Magdeburg |
Stadt Garching |
St. Mechthild, Magdeburg
Kunstsammlung Lausitz im Schloss und Festung Senftenberg |
Stadt Germering |
Museum MAC Singen
(Museum Art & Cars) |
Stadt Gersthofen |
Sparkasse Singen |
Unsere liebe Frau,
Kemberg |
Regierungspräsidium Tübingen |
Landratsamt Konstanz |
Sparkasse und Volksbank Überlingen
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Zum Werk Gerhard Elsners:
Die in den fünfziger
Jahren entstandenen frühen Werke zeigen mit den
stillebenhaften Motiven und der gedämpften Farbigkeit noch
den Einfluss des Karlsruher Lehrers Wilhelm Schnarrenberger.
Anfang der sechziger Jahre tritt erstmals das künftige
werkbestimmende Motiv auf: die Stadt. In den visionären
Architekturlandschaften ist die Stadtstruktur eher
organisierendes Prinzip der Bildkomposition denn
realistische Abbildung. In den siebziger und achtziger
Jahren erscheint die Großstadt als seelenverzehrender
Moloch. Hohe Häuserfassaden schließen die Straßen wie in
einem Verlies ein. Die Menschen sind zu umrisshaften Schemen
reduziert. Der kontaktlose Großstadtmensch ist eine Chiffre
für die Einsamkeit des Einzelwesens, die ebenso zeitkritisch
wie existenziell gemeint ist. In den Schaufenster-Bildern
stehen sich bewegungslos verharrende Passanten und
Schaufensterfiguren in ihren gläsernen Käfigvitrinen
gegenüber, beide sind nur silhouettenhaft gegeben. Elsners
Bilder können auf mehreren Ebenen gelesen werden:
zeitgeschichtlich, psychologisch, metaphysisch. Sein Werk
nimmt Impulse der Literatur (Dante, Kasack) und Mythologie
auf. Er gewinnt aus alltäglichen Erscheinungen der Moderne
ein unverbrauchtes malerisches Vokabular, das unmittelbar
verständlich ist, weil es an archetypische
Erkenntnisschichten rührt. Elsners Stadtwelten sind
Zwischen-Welten. Sie sind ambivalent, der assoziative Raum
liegt zwischen Unterwelt und Elysium der Schatten, zwischen
unbehaustem Menschen und Erlösungssehnsucht. Ähnlich wie bei
Piranesis Kerkern bannt Elsner Faszination und Erschrecken
zugleich in seine unterirdischen Raumfluchten und Gänge. Sie
sind als Passagen angelegt, als symbolische Orte des
Übergangs. Ausschnitthaft gegeben, sieht man weder Anfang
noch Ende. Welcher Ausgang an ihrem Ende steht, ob gut oder
schlecht, bleibt offen. Auch in die klaustrophisch
verschlossenen grauen Unterweltsverliese stiehlt sich ein
tastender Lichtstrahl. Der Großstadt-Beobachter ist auch
Chronist der Großtadt-Poesie. Die künstlichen Paradiese der
Warenwelt stattet Elsner durchaus mit dem verführerischen
Glanz des Konsums aus. Warmes Licht umschmeichelt die
leblosen Puppen-Menschen der Kaufhaus-Vitrinen, bunte
Reflexe tanzen auf den Glaskäfigen, in denen die
Büro-Arbeiter oder Konsumenten wie in einem Irrgarten
eingeschlossen sind.
Neben den Ölgemälden
steht eine umfangreiche Produktion in verschiedenen, teils
experimentellen Verfahren. Elsner nutzt den kreativen Zufall
als Ausgangspunkt, neue malerische Techniken zu entwickeln.
Diese stehen im Dienst der Aussage. Die Untermischung der
Farbpigmente mit Sand schafft ein sprödes Farbmaterial,
angemessen den Bildern von der Brüchigkeit menschlicher
Existenz. Überhaupt fällt auf, dass Elsner seine Porträts
fast nie als klassische Ölgemädde fertigt, sondern als
Kombination verschiedener Maltechniken. Das 20. Jahrhundert
hat sich von der Vorstellung der Person als geschlossener
Einheit verabschiedet. Die Porträs Elsners entstehen
folgerichtig aus der Überlagerung mehrerer Malschichten, aus
verschwimmenden Konturen oder implodieren in ein
Splitterwerk aus Farbteilchen. Die reliefartigen geborstenen
Porträts der neunziger Jahre spiegeln die Erfahrung von der
Wundheit in einer rauen Umwelt und erinnern in ihrer rohen
Unmittelbarkeit nicht von ungefähr an die geschundenen
Körper Bacons.
Ab der Mitte der 90er Jahre wendet sich
Elsner verstärkt neuen Themen und Techniken zu. Die
Farbpalette hellt sich auf. Die weißen Bilder lassen
einzelne Gebäude mit stechender Helligkeit, der Betonung
struktiver Linien und stürzenden Perspektiven zu
bedrohlichen, aber auch beeindruckenden
Architektur-Persönlichkeiten wachsen. Es entstehen
zahlreiche Landschaftsbilder Höhepunkt ist hier der kühn
vereinfachende und suggestive Norwegen-Zyklus, der
die Eindrücke des Künstlers während einer Nordlandreise
widerspiegelt. Ohne der Gefahr einer Sentimentalisierung zu
erliegen, bildet die Natur eine Art Gegen- und Ruhepunkt zu
den Großtadt-Szenen. In den Ansichten vom Bodensee fängt
der Maler die sanfte Melancholie jener alten
Kultur-Landschaften ein, in denen sich Naturschönheit und
Menschenwerk durchdringen. Für die Gebirgs-Landschaften
findet Elsner eine schroffe Sprache, in der sich steil
auffahrende Formen mit einer auf den Hell-Dunkel-Kontrast
reduzierten Farbpalette verbinden. Die Stilleben meist
einzelne Blüten oder Vasen berühren durch ihre zarte Anmut
und die fast japanisch wirkende Verhaltenheit der
malerischen Mittel. Der Graphiker Elsner nimmt in seinen
Radierungen und Linolschnitten Motive seiner großen Gemälde
auf. Auch auf diesem Gebiet bewährt sich seine
Aufgeschlossenheit gegenüber dem technischen Experiment. In
den sechziger Jahren entstanden mehrere Kreuzweg-Zyklen für
Kirchen, Zeugnis seines weitgespannten humanistischen
Interesses.
Anfang der 2000er Jahre
wandelt er die statischen Menschengruppen in belebte Szenen
um: stürmende Menge, Tanzende oder Musikgruppen. Die
Gruppendynamik bricht die Erstarrung und Isolierung der
frühen Bilder auf. Bislang hatte die statische Figur auch
einen appelativen Charakter, ihr Verharren war eine
Aufforderung an den Betrachter, den Dialog mit ihr zu
suchen. Die Figuren der neuen Bilder hingegen werden aktiv,
sie handeln als Unbeobachtete. Die Schaufenster-Bilder
werden weitergedacht zu Figurenbildern hinter Lichtgittern
oder Farbrinnsalen. Damit wird das Thema der Spiegelung
und Identitätsbrechung explizit gemacht und gleichzeitig das
Erkenntnisproblem mitbedacht, dass auch Malerei nur
vermittelte Wahrnehmung ist, weil im Blick des anderen
gespiegelt. In der Entwicklung des zentralen
Menschen-Motivs lassen sich die Einheit und zugleich die
Veränderung der künstlerischen Position ablesen. Die 80er
Jahre sind die Zeit der panoramatischen Großstadt-Bilder.
Aus ihnen gehen in den späten 90er Jahren die Bilder von
Einzelfiguren oder kleinen Figurengruppen hervor. Der
Künstler nähert sich wie in einem Zoom der Einzelfigur, ohne
sie jedoch zu personifizieren. Das gesichtslose Individuum
ist das Motiv, das sich als roter Faden über Jahrzehnte
durch Elsners Werk zieht. Es ist Kritik an der Vereinsamung
des einzelnen und zugleich Aufruf an den Betrachter, diese
Isolierung, die auch die seine ist, zu durchbrechen. Den
wohl stärksten Ausdruck erhält dieses Motiv in den Bildern,
die bewegungslos verharrende Passanten den
Schaufensterpuppen in Vitrinen gegenüerstellen. Die Kritik
an der gesellschaftlichen Kälte verbindet Elsner mit den
sozialkritischen Großstadt-Veristen der zwanziger Jahre des
20. Jahrhunderts. Auch sie entdeckten unter dem Mantel des
materiellen Wohlseins die Verlorenheit des Individuums. Im
Unterschied zu ihnen verzichtet Elsner jedoch auf
Parteinahme und scharfe Anklagen. Ihm geht es um eine
überzeitliche Aussage zur conditio humana. Seine
Bilder sind nicht Kritik, sondern leiser Anruf an den
Betrachter, sich in den verlorenen Gestalten selbst zu
erkennen und - vielleicht - zu ändern. Den isolierenden
Figurenreihungen antworten schließlich die Bilder von
Paaren, in denen man eine tastende Annäherung erahnt oder
die Gruppen-Bilder der 2000er Jahre mit ihren ekstatischen
Ausbrühen. Elsners Bilder sind nie auf eine eindeutige
Aussage zu reduzieren, sie sind Bestandsaufnahme der
Wirklichkeit mit der Auforderung, selbst zu urteilen. Sie
sind dialogisch: sie appellieren an den Betrachter, in ihnen
sein eigenes Leben zu lesen. Es sind Bilder für kritische
und kritikfäige Menschen, eben Bilder für erwachsene
Betrachter.
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